Die Schlacht von Konda
„Löwen-Staffel startklar machen! Löwen-Staffel startklar machen!“, ertönte es aus dem Lautsprecher. Ich rappelte mich von meinem Bett auf, ging rasch zu meinem Schrank und griff meine Pilotenausrüstung. Der Hyperraumflug zum Konda-System ging um einiges schneller, als ich gedacht hatte. Ich wusste nicht genau, warum wir hier waren, aber laut der Einsatzleitung war dieser Kampfeinsatz keine Übung. Während ich in die Weiß-Rote Jacke schlüpfte, ließ ich schnell meinen Blick durch meine Kabine, von meinem Bett über den Metallboden bis hin zu meinem Esstisch, wandern. Ich hatte nichts vergessen. Schnell lief ich zur Tür, die automatisch aufglitt, und ging nach draußen. Ich fand mich in einem der typischen Gänge des Raumschiffes wieder. Die Likusa-Kreuzer der Schützenden Hand waren schon etwas in die Jahre gekommen und nicht gerade für Ihren Komfort bekannt. Jedoch war ich froh, auf diesem Schiff stationiert zu sein. Ein paar meiner Staffelmitglieder sprinteten an mir vorbei in Richtung Hangar. Ich reihte mich hinter ihnen ein und rannte hinterher.
„Fuchs-Staffel und Bären-Staffel starten!“, ertönte es aus den Lautsprechern, als meine Gruppe den Hangar erreichte. Der ohrenbetäubende Lärm bestätigte den Start der zwei Raumjäger-Staffeln. Anhand der Lackierungen, der dreieckigen Raumschiffe, konnte man die beiden Staffeln gut unterscheiden. Die Raumschiffe der Fuchs-Staffel waren orange, mit weisen Akzenten gefärbt, während die Bären-Staffel braune Schiffe hatte. Erst als die Schiffe, eins nach dem anderen, das Energieschild, die die Weite des Weltalls vom Inneren des Kreuzers trennten, passierten, verstummte das Getöse.
Unbeeindruckt von dem Geschehen lief ich zu meinem Jagdbomber und öffnete die Druckluke des Cockpits. Das Schiff der Morak Klasse, war für einen Jagdbomber vergleichsweise klein und wendig. Das Schiff war nicht länger als zwanzig Meter und genau fünf Meter breit. Wenn man das Gefährt von oben betrachtete, sah es aus wie der Buchstabe M, welches man unten geschlossen hatte. Der Jagdbomber hatte somit, ein Flügelpaar, welche am Cockpit des Piloten begannen, und nach vorne gerichtet waren. Zwischen den Flügelpaaren war, zum Bug hin, ein Freiraum, durch welchen man hindurchschauen konnte.
Auf meinem Pilotensitz angekommen, betätigte ich ein paar Schalter, verriegelte den Eingang und startete die Maschinen. Gespannt wartete ich auf die Anweisungen, die gleich von dem Staffelführer, über eine sichere Frequenz, mitgeteilt werden würden. „So meine Löwen“, ertönte es, mit leichtem Rauschen, „das wird der größte Einsatz eures Lebens.“ Gespannt lauschte ich dem Staffelführer Löwe-Eins. „Eine unbekannte Fraktion greift dieses System an. Die Flotte ist gigantisch, deshalb haben wir Unterstützung von über vierhundert weiteren Kreuzern, plus deren Begleitschiffen und Jägerstaffeln.“ Das war unmöglich! So viele Truppen der Schützenden Hand hatte ich noch nie in einem System gesehen! Nicht einmal bei den größten Flottenmanövern. „Der Kampf ist schon in Gange und wir kommen in wenigen Minuten als Verstärkung dazu. Seid auf alles vorbereitet. Unser Ziel ist es, die am schwerst beschädigten Schiffe der Schützenden Hand sicher aus dem Kampfgebiet zu eskortieren. Standby, bis wir die Starterlaubnis erhalten.“
Beschädigte Schiffe aus der Schlacht eskortieren? Was war da los? Wer konnte unserer Flotte so viel Schaden zufügen? Der Anführer hatte von einer unbekannten Fraktion gesprochen. Es gab doch nur die beiden Kreis-Systeme und die Hanse. Die Kreis-Systeme konnten so einen Angriff unmöglich starten, dafür fehlten Ihnen die Mittel. Also musste es sich um die Hanse handeln, oder? In Gedanken versunken, hatte ich fast die Starterlaubnis überhört. „Löwen-Staffel starten!“, ertönte es über Funk.
Ich griff den Steuerknüppel und drückte ihn leicht nach vorne. Die Lion-Guard, wie ich mein Schiff getauft hatte, setzte sich in Bewegung und die Schiffe der anderen Staffelmitglieder starteten ebenfalls. In die Frontscheibe wurden mehrere Markierungen projiziert, die meine Flugbahn andeuteten. Diese dienten dazu, sicher aus dem Hangar zu starten, ohne den anderen Fahrzeugen in die Quere zu kommen. Ein leichtes Vibrieren machte sich in dem Schiff bemerkbar, als ich mehr Energie auf die Triebwerke gab, und auf die Öffnung zu nach draußen zu flog. Die Geräusche der Maschinen veränderten sich leicht, als ich den Schutzschild passierte, welcher die Luft im Inneren des Kreuzers, davon abhielt, in das Vakuum des Weltraums zu entweichen.
Obwohl der Schlachtkreuzer noch nicht das Kampfgebiet erreicht hatte, attackierten bereits einige Ausreißer das Schiff. Direkt vor mir schossen zwei kleine Jäger vorbei. Deren Bauart war mir unbekannt, obwohl ich schon so einige Raumschiffe gesehen hatte. Ich ließ mich von den Jägern jedoch nicht aus der Ruhe bringen und folgte weiter dem Staffelführer. „Das erste Schiff, das wir eskortieren, ist die Nebulik. Die meisten Geschütztürme wurden zerstört und die Schilde sind an der Belastungsgrenze. Wir fliegen rein und eskortieren sie außerhalb des Schlachtfeldes.“, teilte unser Anführer mit.
Noch bevor er den Satz beendet hatte, lenkte er ein und steuerte mit Höchstgeschwindigkeit auf das Kampfgeschehen zu. Der Anblick der Schlacht war atemberaubend. Die hunderten Explosionen, Laserstrahlen und Trümmerteile erzeugten ein funkelndes Lichtspiel.
„Achtung, Jäger im Anflug“, hörte ich von einem der Piloten. In diesem Moment tauchten drei kleine Raumschiffe in meinem Sichtfeld auf. In meine Cockpitscheibe wurden Informationen bezüglich Bewaffnung und Schwachstellen der Schiffe projiziert. „Hier Löwe Vier. Löse mich vom Geschwader“, rief ich und lenkte das Schiff aus der Formation, direkt auf die drei Jäger zu. „Löwe Acht, ich folge dir“, meldete ein anderer Pilot und reihte sich hinter mir ein.
Plötzlich zuckten mehrere Laserstrahlen an mir vorbei, als die Angreifer das Feuer eröffneten. Ruckartig lenkte ich das Schiff zur Seite, um weiterem Beschuss zu entgehen. Mein Daumen schwebte über dem Abzug, während ich das Schiff so ausrichtete, dass das angezeigte Fadenkreuz in meiner Scheibe direkt auf den vordersten Jäger zeigte. Zack! Ich drückte den Knopf und in Sekundenschnelle feuerte mein Schiff eine rötliche Energieladung ab, die sich in den Flügel des Angreifers bohrte und diesen zerriss. Lautlos explodierte das gegnerische Raumschiff in einem Feuerball.
Flink lenkte ich die Lion-Guard zur Seite, um gerade noch rechtzeitig den verbleibenden Schiffen auszuweichen, die keinerlei Anstalten machten, ihre Flugbahn zu ändern. Während ich eine Schleife flog, um mich hinter die feindlichen Schiffe zu setzen, versuchte der verbaute Schwerkraftgenerator die enormen Kräfte auszugleichen. Ohne diesen, wären solche Manöver unmöglich gewesen.
Vor mir kamen die beiden Jäger zum Vorschein, die offenbar die restlichen Schiffe meiner Staffel attackieren wollten. Aber nicht mit mir! Erneut betätigte ich den Schalter und zwei weitere Feuerbälle zeichneten sich vor dem schwarzen Hintergrund des Weltalls ab. „Löwe Vier und Acht, zurück in Formation“, berichtete ich, als mein Hintermann und ich uns wieder eingereiht hatten.
Mittlerweile waren wir mitten im Kampfgeschehen angekommen. Unzählige Schlachtschiffe feuert ununterbrochen aufeinander. Die Energiestrahlen der Laserwaffen blitzen wild durcheinander, während die Langstreckenraketen und Torpedos leichte Abgasstreifen zogen. Vor uns erblickte ich ein stark beschädigtes Schiff. Vermutlich die Nebulik. „Also Männer, sorgen wir dafür, dass weder Bomben noch Raketen zu dem Kreuzer durchkommen“, hörte ich Löwe Eins über Funk rufen, „Verteidigungsformation!“
Unsere Staffel teilte sich in mehrere Dreiergruppen auf. Ich als Löwe Vier war der Gruppenführer. „Ok, bleibt dicht hinter mir“, befahl ich meinen beiden Hintermännern und steuerte die Lion-Guard dicht über die beschädigte Außenhülle der Nebulik. „Bomber auf zwei Uhr!“, rief Löwe Fünf. Noch bevor ich die Schiffe erblickt hatte, änderte ich den Kurs in die angegebene Richtung. Tatsächlich zeichneten sich die Umrisse von zwei Bombern ab. „Zielerfassung!“, rief ich und der Bordcomputer peilte die beiden Angreifer an.
Eine sechseckige Markierung wurde in die Fensterscheibe um die beiden Angreifer projiziert. Als die Farbe der Zielmarkierung von rot auf grün wechselte, betätigte ich den Abzug. Ein leises Klicken bestätigte den Abschuss von zwei Lenkraketen. Blitzschnell rasten sie auf ihr Ziel zu und schlugen ein. Die Explosionen waren enorm, vermutlich weil die Sprengköpfe an Bord der beiden Bomber ebenfalls explodierten.
Mehrere Trümmerteile wurden in unsere Richtung geschleudert. „Ausweichmanöver!“, reif ich und rollte die Lion-Guard zur Seite. Meine beiden Hintermänner taten es mir gleich. Die Maschinen jaulten auf, als ich versuchte, den Jagdbomber wieder zu stabilisieren. Hinter einem unserer verbündeten Schlachtkreuzer, kam eine kleine Fregatte zum Vorschein, die auf die Nebulik feuerte. „Angriffsformation. Wir schalten die Turbolaser aus.“, erklärte ich und steuerte auf das Raumschiff zu. Mehrere Flugabwehrgeschütze versuchten, uns mit Sperrfeuer davon abzuhalten, unseren Anflug fortzuführen. „Zielerfassung!“, befahl ich erneut meinem Bordcomputer. Plötzlich ertönte ein leichtes Zischen, gefolgt von einem Piepton. Offenbar hatte mich eines der Geschütze getroffen. Die Schilde der Lion-Gurad hatten jedoch zum Glück schwereren Schaden verhindert. Ich deaktivierte den Alarm, setzte meinen Anflug fort und wartete darauf, dass sich die Anzeige in meiner Frontscheibe grün färbte.
Schlagartig schlug die Farbe um und ich betätigte den Abzug. Diesmal wurden drei schwerere Raketen abgeworfen. Diese zündeten ihren Antrieb erst als sie in sicherer Entfernung zu meinem Schiff waren. Sobald ich die Antriebszündung aus den Augenwinkeln gesehen hatte, drehte ich ab, um wieder näher an die Nebulik zu fliegen. Die beiden anderen Piloten taten es mir gleich.
Mein Blick folgte den großen, dunklen Raketen. Gleißend hell leuchtete es auf, als diese auf die metallene Oberfläche der Fregatte stießen. Die enormen Kräfte veränderten schlagartig die Flugbahn der Fregatte und rissen mehrere tiefe Löcher in die Hülle. Vom Kurs abgebracht, steuerte es direkt auf eine kleine Gruppe feindlicher Jäger zu, die gerade noch ausweichen konnten, um nicht an dem Koloss zu zerschellen.
Die Nebulik hatte es mittlerweile bis zum Rand des Kampfgeschehens geschafft und sie war somit fast in Sicherheit. Ein Blinken machte mich aufmerksam, dass sich mehrere Langstreckenraketen näherten. „Jeder nimmt sich drei vor!“, rief ich und wir teilten uns auf. Diese näherten sich schnell und ich beschleunigte die Lion-Gurad auf Höchstgeschwindigkeit. Die Geschosse schienen auf den Antrieb der fast wehrlosen Nebulik zu zielen. Der Bordcomputer erkannte, was ich vorhatte und berechnete die Flugbahn der Raketen und zeichnete diese vor mir in die Scheibe.
Blitzschnell flog ich auf diese zu, in dem Wissen, dass das Kreuzen der Flugbahn tödlich enden könnte, wenn ich die Geschwindigkeit der Geschosse falsch eingeschätzt hatte. Kurz bevor ich deren Flugbahn erreichte, aktivierte ich zwei meiner Raketen, schaltete sie scharf und löste die Kopplung. Genau in diesem Moment traf die erste Langstreckenrakete ein, prallte auf eine meiner kleinen Raketen. Die Wucht des Aufpralls zündete die Sprengladung der kleinen Rakete. Durch die dadurch entstandene Explosion wurde die Langstreckenraketen ebenfalls gezündet und explodierten.
Vorsichtig bremste ich die Lion-Guard ab. Die Nebulik war in Sicherheit und schien sich auf den Hyperraumsprung vorzubereiten. Plötzlich explodierte etwas direkt neben meinem Schiff. Ich war unvorsichtig gewesen! Überall leuchteten Warnhinweise auf. Die Außenhülle meines Schiffes war stark beschädigt worden. Verzweifelt versuchte ich die Lion-Guard wieder auf Kurs zu bekommen, doch die Steuerung versagte. Mein Schiff stürzte direkt auf den Hangar der Nebulik zu, die jeden Moment in den Hyperraum springen würde. Die Fangstrahlen und Schwerkraftgeneratoren, der Nebulik versuchten mich abzubremsen, doch diese versagten, da meine Turbinen verrückt spielten. Glücklicherweise zerschellte mein Schiff nicht an der Schiffshülle, sondern ich passierte die Öffnung des Hangars. Mein Shuttle schlitterte kreischend über den Metallboden und krachte in mehrere geparkte Fahrzeuge. Mit einem Mal war es still.
Ich hämmerte gegen die Cockpitscheibe, als die Steuerkonsole anfing Funken zu sprühen. Mit einem Mal gab die Scheibe nach und ich kletterte nach draußen. Mein Blick fiel durch die Hangaröffnung, welche nur von einem kaum sichtbaren Energieschild verschlossen war.
Plötzlich blitze etwas in der Ferne auf. Es kam aus der Richtung des Systemzentrums. Dass etwas aus dem Getümmel der Schlacht so stark herausstach, war mehr als ungewöhnlich. Mein Blick fiel auf die Sonne im Zentrum. Sie verfärbte sich! Schlagartig dehnte sie sich auf und wurde in Milliarden Einzelteile zerrissen. Bevor ich realisieren konnte, was gerade passiert war, startete die Nebulik den Sprung in den Hyperraum.
Später sollte ich erfahren, dass ich der einzige meiner Staffel war, der die Schlacht überlebt hatte. Der Kampf war nicht nur irgendeine Raumschlacht gewesen. Es war ein Gefecht, das in die Geschichtsbücher einging, und zwar als den Moment, der die Galaxis ins Chaos versinken ließ. Es war kein fairer Kampf gewesen, sondern ein gut geplanter Hinterhalt, der nicht nur Millionen von Kameraden das Leben kostete, sondern das gesamte Planetensystem vernichtete.
– Bericht des Raumpiloten Löwe Vier zur Schlacht von Konda